Der Irrtum des Wissenschaftlers ist eine Krankheit des Erkennens

“Es  gibt  ja den wissenschaftlichen Irrtum, so gut wie es Mißbildung und Krankheit im natürlichen Leben gibt. Und wie das, was wir die Heilkraft des Organismus nennen, dieses noch so undefinierte wirkende, gewissermaßen [als Gleichrichter wirkt], ebenso sorgt die Konvergenz-Aktualität des primär  lebenden Geistes  als Wissen dafür, dass die Irrtümer  von selbst  ausscheiden, an ihr Ende kommen.

Jeder wissenschaftliche Irrtum, jede überholte Hypothese ist  eine Sackgasse  der Erkenntnis. Er ist  darum so wenig  etwas Negatives, wie die in sich ans Ende gekommenen Formen des natürlichen Lebens, die wir  Sackgassen in die Wirklichkeit nannten, etwas Negatives  sind. (…) Die reine Potentialität des Natürlichen wie des Seelischen sorgt  dafür, dass das  Wahrscheinliche neben oder vor  dem Unwahrscheinlicheren verwirklicht wird.

Der Irrtum ist  wahrscheinlicher als die Wahrheit,  das Wort von dem fruchtbaren Irrtum besagt, dass die  bis  ans Ende begangenen Sackgassen des  Erkennens das Einschlagen des  richtigen Weges, auf  dem es  weitergeht, wahrscheinlicher  machen.”

Rudolf Ehrenberg, Metabiologie, S. 116f