Umweltmedizin – einmal anders betrachtet

Wenn es um Umwelteinflüsse und ihre Auswirkungen in der Zahnheilkunde geht, dann wäre zu fragen, was denn Umwelt ist, und ob die gängige Definition von „Umwelt“ stimmig ist.

Es ist letztlich eine anthropozentristische Haltung, wenn der Mensch sich einer „Umwelt“ gegenüber definiert, es dokumentiert eine Subjekt-Objekt-Spaltung, wie sie seit dem griechischen Altertum als Gerichtssaal-Logik gebräuchlich ist und zur Grundlage einer objektfixierten Wissenschaft geworden ist, die bestrebt ist, individuelles Leben und Erleben als tendenziell aus dem Wahrheitsfindungs-prozess zu Eliminierendes abzuwerten.

Eugen Rosenstock-Huessy verweist darauf, dass der Theologe und Soziologe Karl Dunkmann in seinem Werk „Kritik der sozialen Vernunft“ „Mitwelt“ und „Umwelt“ als polare Gegensätze auffasst (Im Kreuz der Wirklichkeit, Band 1, S. 288). Das ist meines Erachtens mehr als berechtigt.

Wenn ich das Beispiel von Umweltbelastungen nehme, wie es als „Umwelt-zahnmedizin“ üblich geworden ist, dann ist z.B. das Amalgam ja nicht von alleine in kariöse Zähne gekommen, sondern von Zahnärzten, die als handelnde Subjekte dafür Verantwortung haben, ebenso wie Wissenschaftler und Kranken-kassenmitarbeiter, die das befürwortet haben und noch tun. Das Übel ist also nicht das Amalgam an sich, sondern die von Menschen definierte Nutzen-Risiko-Bewertung, die den Umfang und die Häufigkeit der Amalgamanwendung ebenso wie bei anderen kritischen Stoffen in der Zahnheilkunde festgelegt hat und an der mittlerweile hauptsächlich deswegen festgehalten wird, weil mit einer Änderung des Kurses ein finanzieller Kollaps der gesetzlichen Krankenkassen befürchtet wird.

Von daher wäre es sinnvoller, statt nur eine Umweltzahnmedizin zu betreiben, eine Systemische Richtlinien-Transformations-Zahnheilkunde zu etablieren, die Konzepte entwickelt, wie individuelle Behandlung im Einzelfall aussehen könnte, statt Prinzipien wie „Amalgamsanierung“ oder „Toxinausleitung“ als universal zu praktizierende Strategien in den Vordergrund zu stellen, so berechtigt sie im Einzelfall auch sein mögen.

Zum Hintergrund: Die Welt als „Umwelt“ aufzufassen begann im Neolithikum, als der Mensch sich nicht mehr als „eins mit der Natur“ begriff, sondern die Natur als „das Fremde“ und „die Wildnis außerhalb des Dorfzauns“ empfand. Das Bedürfnis nach Versöhnung mit „dem Ganzen“, nach „unio mystica“ ist Ausdruck eines Kompensationsstrebens zur Aufhebung dieses Entfremdungs-prozesses. Nötig ist dazu aber, den Willen zur Beherrschung der Natur (vgl. Erich Fromm, Haben oder Sein) aufzugeben, statt dessen sich in den Zusammenhang der Natur in eine Weise einzufügen, die nachhaltig ist.

Dies bedeutet, die Natur nicht als Umwelt, sondern als Mitwelt zu empfinden. Weil die Psyche als zentraler Filter für die Wahrnehmung der Außenwelt fungiert, ist davon auszugehen, dass der Mensch erst ein anderes Verhältnis zu sich selbst zu entwickeln hat, um fähig zu werden, seinen Mitmenschen und seiner Mitwelt anders als entfremdet und feindlich zu begegnen. In dem Maße, in dem der Mensch sich psychisch (d.h. geistig-seelisch) weiterentwickelt, wird er auch fähig sein, ein anderes Verhältnis zu der Welt, in der er lebt, aufzubauen und sie nicht mehr nur als etwas zu begreifen, das ihn umgibt, sondern sie als seine physisch-spirituelle Mitwelt wahrzunehmen und in Maßstäben zu denken, die sein ortsgebundenes EGO, seinen begrenzten Lebenskreis und seine sterbliche Existenz transzendieren, sich in den Kreislauf des Werdens und Vergehens in der Natur wieder einzufügen.

Da die Photonen, die Materie konstituieren, unendliche Lebensdauer haben, können wir sicher sein, dass die Materie, die uns konstituiert, in anderer Form weiterleben wird. Wie es jemand formuliert hat: Jeder Mensch besteht aus uraltem Sternenstaub. Der Kosmos lebt in uns, und wir leben im Kosmos. Der Mensch kann sich entscheiden, mit dieser Welt zu leben, oder egoistisch gegen das, was ihn umgibt. Letzteres wird von kurzer zeitlicher Dauer sein. Von daher scheint es ratsam zu sein, das Bewusstsein zu kultivieren, wie wir unserer Mitwelt begegnen sollten, statt sie als Umwelt misszuverstehen.