Ursachen therapeutischer Ineffizienz und Gegenmittel

Dr. Bernard Lown, von Haus aus Chirurg, empfiehlt als Quintessenz aus über 50-jähriger ärztlicher Erfahrung und patientenorientiertem Handeln eine psychosomatische Sichtweise als zentrale Orientierung zur Vermeidung therapeutischer Ineffizienz.

Der Psychiater Pauleikhoff bezeichnete den biographischen Zusammenhang als einen der wichtigsten konstituierenden Faktoren bei der Genese von psychischen und psychosomatischen Störungen.1

Wie die Umstände des German-Wings-Todesflugs in den französischen Alpen deutlich gemacht haben, ist es außerordentlich schwer, selbst bei laufender Behandlung eine sich verschlimmernde Depression zu erkennen. Schon Müller-Fahlbusch (und nicht nur er) hat diese psychotherapeutische Hilflosigkeit formuliert.2

Die Verknüpfung der Aussagen von Pauleikhoff und Müller-Fahlbusch macht deutlich, wie unabdingbar notwendig es ist, rechtzeitig Diagnostik zu betreiben. Deutlich wird aber auch, dass diese schwierigkeitsbedingt oft unterbleibt oder als oberflächliche Fehldiagnose zu kurz greifen wird.

Dies hängt wesentlich damit zusammen, dass ein Patient mit Beschwerden in die Sprechstunde kommt, die den Therapeuten hinsichtlich der einzuschlagenden therapeutischen Richtung leicht auf einen Irrweg bringen können, wie Bernard Lown im Folgenden darstellt.

Aus einer über fünfzigjährigen ärztlichen Erfahrung zieht Lown3 den Schluss, dass oft die Hauptklage des Patienten über z. B. körperlich behindernde Beschwerden in ein Abseits therapeutischer Ineffizienz führe:

„Sehr oft finde ich mich in häusliche Probleme, Arbeitsprobleme, psychische Konflikte, Familienangelegenheiten, ja selbst in globale Probleme meiner Patienten verstrickt. Gestörte Familienverhältnisse stellen immer wieder die kritischsten Probleme dar. Werden sie erst einmal identifiziert, sind Worte viel eher als Medikamente das wirksame Heilmittel. Ich bin davon überzeugt, dass ein Großteil aller Verschreibungen, die der Linderung von Hauptbeschwerden dienen sollen, weitgehend unangebracht ist.

Dies mag einer der Gründe sein, weshalb so viele verordnete Medikamente sich als wirkungslos erweisen. Zweifellos spielt dies auch eine wesentliche Rolle bei der Höhe der medizinischen Kosten. Ein Patient mit einem ungelösten Problem hört nicht auf, nach einer Antwort zu suchen, und rennt von einem Arzt zum anderen. Die vielen, gegen Hauptbeschwerden verschriebenen Medikamente haben oft Nebenwirkungen. Aus lauter Verzweiflung willigen die Patienten schließlich in teure und invasive Prozeduren ein.“

Als Alternative empfiehlt Lown, bei der ärztlichen Anamnese „die Aufmerksamkeit […] auf übermäßigen emotionalen Stress und entsprechendes psychisches Verhalten“ zu richten, da „seit den allerersten Anfängen der Medizin […] die Ärzte [wissen], dass Emotionen einen Menschen zur Krankheit prädisponieren und auch deren Verlauf beeinträchtigen können.“

Deswegen gibt Lown zu bedenken:

„Der Körper kann als Objekt naturwissenschaftlicher Forschung sondiert, untersucht, durchdrungen, zerschnitten und vergegenständlicht werden. Seine Flüssigkeiten und Abscheidungen können gesammelt und chemisch analysiert werden. Ein pathologischer Prozess kann identifiziert, sein Fortschreiten vorhergesagt, die Reaktion auf eine Behandlung abgeschätzt und quantifiziert werden. All dies liegt im Bereich der Wissenschaft. Mit der Seele ist dies nicht der Fall, da die Klangfarbe ihrer Töne eher empfunden und erahnt als gemessen wird. Bis zur heutigen Zeit gibt es keine Methoden zur Objektivierung aufgewühlter innerer Zustände, die sich in Angstgefühlen, Anspannung, Minderwertigkeitsgefühl und Depression äußern. Diese emotionalen Zustände stellen Risikofaktoren für das Auftreten einer Organerkrankung dar. Sie prägen das Erscheinungsbild einer Krankheit, bestimmen ihren Verlauf und die Geschwindigkeit der Genesung.Wenn psychische Probleme eine Krankheit beherrschen – wie dies im Allgemeinen der Fall ist –, diagnostiziert der Allgemeinarzt oft eine »Psychoneurose«. Dies ist eine Papierkorbbezeichnung, der eine Fülle von Störungen ohne wissenschaftliche Erklärungen zugeordnet wird. Dem Patienten wird durch das Beiseiteschieben der psychischen Aspekte seiner Krankheit und das Ignorieren der emotionalen Dimensionen zu wenig Beachtung geschenkt. Ein Arzt, der die emotionalen Anteile ignoriert, beschneidet damit seine Fähigkeit, eine chronische Erkrankung zu lindern. Medikamente können zwar vorübergehend einige der vorhandenen Symptome bessern, aber die zu Grunde liegende Krankheit wird dadurch nicht geheilt. Achtlosigkeit dem psychischen Bereich gegenüber trifft die Medizin durch die Trennung von Behandeln und Heilen mitten in ihr Herz. Diese allgemein verbreitete Praxis hat das Bild der Ärzte beschädigt und ihr Ansehen in der Gesellschaft erheblich beeinträchtigt.“

Dies ist nicht als larmoyante Klage eines altgedienten Arztes über früher besser gewesene Zeiten zu verstehen, sondern hier wird ein Kernpunkt des Arzt-Patienten-Verhältnisses berührt, da Patienten sich umorientieren und enorme wirtschaftliche Auswirkungen die Folge sind: Eine 1993 veröffentlichte, demographisch repräsentative Befragung an 1539 US-amerikanischen Erwachsenen fand heraus, dass 34% im vorausgegangenen Jahr sich wenigstens einmal einer unkonventionellen Therapie unterzogen haben. Die Autoren dieses Berichts schätzten, dass mehr als die Hälfte der jährlichen 813 Mio. Krankenbesuche bei Vertretern unkonventioneller Therapien erfolgten.  Entsprechendes wurde für das Jahr 1997 festgestellt: „In den USA überschreitet seit 1997 die jährliche Zahl der Konsultationen bei alternativen Behandlern die Zahl der Besuche bei allen anderen niedergelassenen Ärzten.“4

Lown vermutet, dass „nur etwa 25% aller Patienten“ von amerikanischen Ärzten erfolgreich behandelt würden, jedoch 75% mit Problemen kämen, „die für die medizinische Wissenschaft nur schwer lösbar“ seien. Angesichts dieses veränderten Nachfrageverhaltens von Patienten gibt es nach Lown „führende ärztliche Persönlichkeiten“, die für „eine echte Reform des Gesundheitswesens zuallererst die Bereinigung des ›Kurpfuscherei-Morastes‹“ erforderlich halten. Ein solcher Ruf nach Ausschaltung der therapeutischen Konkurrenz mag verständlich sein, besser wäre es, das Nachfrageverhalten der Patienten zu erkennen und darauf zu reagieren.

Denn nach Lowns Erfahrungen ist das Bedürfnis nach „alternativer Medizin“ gering, wenn Ärztesich sowohl auf das Heilen als auch auf die Anwendung der […] wissenschaftlichen Werkzeuge konzentrieren.“ Um Heilen zu können, müsse oftmals „ein Arzt zu unkonventionellen Techniken greifen“, die „nicht an der medizinischen Fakultät der Universität gelehrt, sondern durch klinische Erfahrung entdeckt und durch gesunden Menschenverstand gutgeheißen“ würden.  Lown plädiert für eine individuelle Sichtweise: „Man kann sich nicht immer nach den Büchern richten. Die einzigartigen Qualitäten eines jeden Menschen bedeuten, dass das, was bei dem einen Erfolg hat, nicht gleichermaßen bei einem anderen wirksam ist. Mitunter sind ganz unkonventionelle Maßnahmen erfolgreich.“

Einschränkend und bedauernd stellt er jedoch auch fest: „Der Jammer ist nur, dass es ein ganzes Leben braucht, um die klinische Weisheit zu ererben, die einen Arzt befähigt, das zentrale medizinische Problem mit nur einigen wenigen Gesprächen zu erkennen.“

Diese Einschränkung macht deutlich, dass Methoden, mit dem Patienten in Interaktion zu treten, gleichsam das Unbewusste des Patienten zu befragen, um das in der größten Zeit des Therapeutenlebens vorhandenen Manko der „fehlenden klinischen Weisheit“ zumindest zu einem großen Teil zu neutralisieren von großem Wert sein können.

Im Klartext: Energetische Testmethoden wie Kinesiologie oder Elektroakupunktur sind in den Händen eines entsprechend fortgebildeten Behandlers dazu eine effiziente Hilfe. Zur Diagnostik und homöopathischen Therapie von emotionalen Problemen eignet sich vor allem die Methode der Psychosomatischen Energetik nach Dr. Banis.

NB: Dieser Text ist die überarbeitete Fassung eines Kapitels meines Buches „Menschen im Stress“.

Dr. Norbert Guggenbichler

Anmerkungen

  1. Pauleikhoff, B. (1979): Person und Zeit im Brennpunkt seelischer Störungen, Heidelberg
  2. Müller-Fahlbusch. H. (1972): „Über situative Provokation endogener depressiver Phasen“. Med.Welt, 23, 919.
  3. Alle Zitate von Lown aus Lown, B. (2003): Die verlorene Kunst des Heilens – Anleitung zum Umdenken, Suhrkamp TB 3574, Stuttgart. Hervorhebungen nicht im Original vorhanden.
  4. Melchart D. (2002): „Interesse, Akzeptanz und Inanspruchnahme von Naturheilverfahren“. In: Melchart D, Brenke R, Dobos G et al: Naturheilverfahren. Stuttgart; Schattauer, S, Eisenberg, D M (1993): „Unconventional medicine in the United States: Prevalence, costs, and patterns of use“. New England Journal of Medicine 328:246– 252.