Das Primat des „Primum nil nocere“

Auf den altgriechischen Arzt Hippokrates von der Insel Kos geht die Forderung zurück, dass Medizin nicht schaden dürfe.

Was ist schädlicher: Eine Belastungssituation nicht zu erkennen und untherapiert zu lassen oder eine Überbewertung der vorhandenen Symptomatik vorzunehmen mit der Folge einer Maximaltherapie, die operationsbedingt funktionelle Einbußen, Verlust von Körpergewebe und einer Verschlechterung physiologischer Funktionen nach sich zieht?

Rolf Dobelli schätzt, dass 90% des menschlichen Verhaltens von der Suche nach Belohnung bestimmt sind. Politiker versuchen öfter „Anreizsysteme“ zu etablieren, um ein bestimmtes Verhalten zu bewirken („Abwrackprämie“). Welche Reize als Belohnung empfunden werden, ist unterschiedlich. Primär kann man aber davon ausgehen, dass in einer Welt, die von Geld regiert wird, dieses auch das hauptsächliche Anreizsystem darstellt. Für Geld tun die meisten Leute sehr viel: Sie erledigen unangenehme Jobs („Dschungelcamp“), prostituieren sich körperlich und oder auch seelisch-geistig, begehen sogar Verbrechen.

Als Incentive-Superresponse-Tendenz (Anreizsensitivität) wird ein bestimmtes menschliches Verhalten bezeichnet. Kennzeichnend ist, dass Menschen schnell und radikal ihr Verhalten ändern, wenn Anreize gesetzt oder verändert werden, ohne jedoch der Absicht, die hinter den Anreizen steht, zu entsprechen. Nach Rolf Dobelli machen geistige Schwäche, psychische Störungen oder Bosheit höchsten 10 % des Verhaltens von Menschen aus. Zu 90% ist ein bestimmtes Anreizsystem verantwortlich: Ein Facharzt wird immer ein Interesse haben, Sie möglichst umfassend zu behandeln und zu operieren – selbst wenn es nicht nötig ist.“

Wenn Leute ein direktes Interesse an einer Transaktion haben, sind sie schlechte Ratgeber: „Frage nie einen Friseur, ob du einen Haarschnitt brauchst.“ 1

Zunächst nicht schaden – Orientiert sich die Medizin an dem Kranken oder an dem Arzt?

Primum nil nocere – das setzt voraus, sich der Möglichkeit, welche Schäden auftreten können, bewusst zu sein, zum einen hinsichtlich der angewandten Heilmethoden an sich und zum anderen im Hinblick auf den einzelnen individuellen Patienten.

Nun ist es doch so, dass die konventionelle Medizin dazu tendiert, die potentiellen Schäden als „Nebenwirkungen“ zu quantifizieren, deren Häufigkeit so gering sei, dass unter einer Nutzen/Risiko-Abwägung die Vorteile deutlich höher zu bewerten seien.

Das mag zutreffen, wenn man Nebenwirkungen nur als statistisches Phänomen auffasst, und wenn sie nur in leichter Form auftreten. Für den Einzelnen davon betroffenen Patienten kann es eine Katastrophe sein, aus der einen Ausweg zu finden alles andere als einfach sein kann. Da die ärztliche Professionalität mitunter zu wünschen übrig lässt und unangemessene Schlussfolgerungen gezogen werden, kann sich die Befindlichkeit des Patienten noch weiter verschlimmern. (Mir bekannt ist z.B. eine Frau, die wegen Depressionen behandelt wurde, dann eine Hyperlaktämie bekam, woraufhin ein Hirntumor vermutet wurde. Wäre das Nebenwirkungspotential des Antidepressivums berücksichtigt worden, das genau solche Folgen haben kann, wäre ihr viel unnötiges seelisches Leid erspart geblieben.)

Das medizinische Denken ist geprägt davon, dass statistische Mittel- oder Medizinwerte als „Norm“ angesehen werden, obwohl durchaus Patienten mit Werten außerhalb dieser Norm beschwerdefrei sind oder aber bei Werten innerhalb der Norm sich krank fühlen.

Dies führt dazu, dass Patienten mit dem Prädikat „ohne Befund“ ohne Therapie nach Hause geschickt werden oder an einen Facharzt zur Abklärung geschickt werden, häufig ist es ein psychotherapeutischer oder psychosomatisch orientierter Behandler, weil vorschnell unterstellt wird, es müsse sich um ein hauptsächlich psychisch dominiertes Leiden handeln.

Eine diesbezügliche diagnostische Exploration und Therapie kann sich dann über Monate und Jahre hinziehen, ohne dass eine gesundheitliche Stabilisierung erfolgt, wenngleich auch statistisch die Effizienz von verhaltenstherapeutischen und akutpsychologischen Maßnahmen belegt ist, obwohl Psychotherapie grundsätzlich als „Langzeittherapie“ angesehen wird.

Unterblieben ist in der Regel eine Diagnostik, die das sichtbar macht, was die Laborwerte nicht widerspiegeln: Eine regulationsmedizinische Untersuchung und deren individuelle Auswertung.

Der Vorteil dieses Messverfahrens liegt in der Automatisierung des Messvorganges, die für eine Standardisierung der Ergebnisse sorgt. Aufgrund der Erfahrungen aus mehreren Jahrzehnten ist ein Datenfundus vorhanden, der eine computerisierte Auswertung der Messergebnisse und eine Priorisierung der Auffälligkeiten erlaubt.

Oft zeigt sich, dass mit einer Überweisung zur Psychotherapie es bei weitem nicht getan ist. Fehlfunktionen von Organen und auch segmentübergreifende Störungen sind sehr häufig zu finden

Dann können die Messwerte Hinweise geben auf übergeordnete Störungen (Meridian- und Chakrenstörungen) oder eine Differenzierung hinsichtlich des Zusammenhanges von Soma und Psyche geben. Die häufigste Fehldiagnose „Ihre Werte sind in Ordnung“, „wir können nicht sagen, was Ihnen helfen könnte“ bleibt bei diesem Verfahren fast jedem Patienten erspart. Mit dem regulationstherapeutischen Befund kann eine individuelle Therapieplan erstellt werden, eine Kontrolle nach 6-8 Wochen sollte eine Verbesserung des regulationsmedizinischen Gesamtbefundes zeigen, wenn die Therapie an der richtigen Stelle angesetzt hat.

Meistens lässt sich nach spätestens drei bis vier Phasen eine wesentliche Harmonisierung der Regulationsfähigkeit und der Befindlichkeit erreichen und diagnostisch belegen und nachvollziehen.

Anmerkungen

  1. Rolf Dobelli: Die Kunst des klugen Denkens