Fledermäuse, Systemrelevanz und unser Verhältnis zur “Natur”

Die Corona-Pandemie mit ethnologischen Augen betrachtet

Außergewöhnliche Ereignisse lassen sich aus vielen Perspektiven betrachten. Die Ethnologie bildet da keine Ausnahme. Wie die Krise schon vorher nicht tragbare Zustände offenbart und was wir von den indigenen Völkern des Amazonasgebiets lernen können, beschreibt Naomi Rattunde, die an der Universität Bonn im Fachbereich Altamerikanistik/Ethnologie promoviert, in diesem Beitrag zur Reihe “Lebenszeichen”.

Wir werden uns in den Wald zurückziehen […] und niemanden sonst hereinlassen, denn all das ist nisun, verabschiedete sich Ibã Sales Huni Kuin bei der brasilianischen Anthropologin Els Lagrou am Telefon, als entgegen der Verharmlosungsstrategie des gefährlich ignoranten Präsidenten Jair Bolsonaro in Brasilien Quarantänemaßnahmen angekündigt wurden. Für die Huni Kuin, von ihren Nachbarn „Kaxinawa“ – Fledermausmenschen – genannt, sind für die meisten Krankheiten Interaktionen mit und der Verzehr von Tieren verantwortlich. Diese senden ihre nisun, Schwindel und Kopfschmerzen, die in einigen Fällen zu Krankheit und Tod führen können. Um diese Gefahr zu minimieren und das Gleichgewicht des Miteinanders verschiedener Seinsformen nicht zu stören, werden nur die zum Verzehr benötigten Tiere erlegt, wobei jede Jagd Aushandlungen mit den Jagdtieren bedeutet. Fledermäuse stehen jedoch nicht auf dem Speiseplan der Huni Kuin, da sie yuxin besitzen, eine Lebenskraft, die sie zur Formwandlung befähigt, so Lagrou in ihrem Beitrag „Nisun“ im Blog da Bibliotexa Virtual do Pensamento Social ( blogbvps.wordpress.com, 13.04.2020).

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