Diagnostik – die Grenzen des digitalen Röntgens

Diagnostik – das heißt wörtlich „hindurchschauen“. Die klassische Diagnostik in der naturwissenschaftlichen Medizin ist das Röntgenbild. Wegen der Strahlenbelastung ist diese Diagnostik bei Patienten  nicht beliebt, man erhofft sich durch die Digitaltechnik eine verminderte Strahlenbelastung.

Zu welchen absurden Ergebnissen das Bemühen um Strahlenreduktion mittels Digitaltechnik bei der Darstellung von Zähnen führt, möchte ich an drei Aufnahmen (nicht aus meiner Praxis) zeigen, die ein Neupatient gerade eben mitbrachte:
Im oberen Bild ist die Wurzelspitze des mittleren Zahnes nicht auf der Aufnahme zu sehen – gerade das aber ist entscheidend. Die schwarzen Flächen machen deutlich: Hier endet das Darstellungsfeld des Aufdigit ZF 1nahmesensors, die weißen Flächen am Rand sind nicht belichtet. Ca. 30% der Filmfläche auf der oberen Bildhälfte wird nicht belichtet bzw. es ist der Leerraum über den Zähnen dargestellt. Warum? – Weil der Aufnahmesensor zu klobig für die Mundhöhle ist und sich schlecht dort platzieren lässt, wo ein Zahnarzt ihn eigentlich braucht.

Das zeigt sich auch auf den anderen beiden Aufnahmen als limitierender Faktor:

In der Mitte ist weder die Wurzelspitze des linken Zahns (47) noch die von 44 digit ZF 2rechts dargestellt, nur Zahn 46 ist vollständig beurteilbar sowie  der Bereich der Zahnlücke. Auch die Krone von Zahn 47 ist nicht vollständig dargestellt.

Unten: Die zwei Zähne in der Mitte sind annähernd vollständig dargestellt, aber der Bereich der Wurzelspitzen ist abgeschnitten. Auch hier befindet sich auf mehr als 25% der Filmfläche keine relevante Information.

digit ZF 3Für eine konventionelle, analoge Röntgenaufnahme gilt als Richtlinie: Das Gebiet von drei Zähnen muss vollständig abgebildet sein.Wenn ich davon ausgehe, dass der Kollege Aufnahmen von sechs Zähnen haben wollte, sind nur bei einen Zahn und einem Leerkieferbereich die Informationen zu sehen, auf die es ankommt. Es sind also nach meinen Standards drei zusätzliche Aufnahmen nötig, um das zu erfassen, was nötig ist.

Wie hoch ist die Strahlenbelastung bei konventionellem bzw. digitalem Röntgen?

Grundsätzlich gilt: Nur 0,1 % der effektiven Dosis bei medizinischen Anwendungen geht auf das Konto der Zahnfilmaufnahmen. Denn in der Zahnheilkunde ist nur eine minimale Menge von Röntgenstrahlen nötig und auch nur ein sehr kleiner Strahl (3x4cm), der ja nur wenige Zähne erfassen muss. Selbst die bei einer Übersichtsaufnahme des gesamten Gebisses, dem Orthopantomogramm (OPG) freigesetzte Strahlenbelastung entspricht der Strahlung aus der Erde und dem Kosmos, der ein Mensch innerhalb von 12 Stunden  auf Meereshöhe ausgesetzt ist oder die er erhält, wenn er sich etwa 30 Minuten im Gebirge (bei etwa 2000m) aufhält oder während 30 Minuten in einem Flugzeug bei einer Flughöhe von 11km.

Nachfolgende Liste soll Ihnen einen Überblick geben, mit welcher Strahlenbelastung Sie in etwa rechnen können:

  • 0,005 mSv —- bei einem Zahnfilm
  • 0,002 mSv —- bei einer Panoramaaufnahme
  • 0,004 mSv —- bei 1 Tag auf der Erde (!)
  • 0,002 mSv —- bei 30 Minuten im Flugzeug in 11km Höhe(!)
  • 1 – 10 mSv —- Natürliche Röntgenstrahlung der Umwelt pro Jahr
  • 0,28 mSv   —- Flug von Frankfurt nach New York
  • 0,12 mSv   —- 100 Stunden vor einem Bildschirm (0,5 m Abstand)
  • 0,221 ± 0,275mSv Kiefer- DVT (digitales Volumentomogramm)
  • 0,847 ± 0,313mSv  Kopf-CT (Computertomogramm)

http://www.zwp-online.info/de/fachgebiete/digitale-zahnmedizin/digitale-bildgebung/dvt-indikationen-und-strahlenbelastung

Die geschätzte natürliche Strahlenbelastung eines Menschen – abhängig davon, wo Sie leben- liegt bei 2 Millisievert (mSv) pro Jahr aus natürlichen Quellen und 2 mSv  aus künstlichen Quellen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Strahlenexposition)

Die Dosis von 0,005 mSv   ist mit einer statistischen Erhöhung des Krebsrisikos von 0,000025% verbunden.

Wenn argumentiert wird, durch die große Empfindlichkeit der digitalen Röntgensensoren sei es möglich, die Strahlenbelastung deutlich zu reduzieren, und eine Strahlenreduktion von cirka 80% bei einer Einzelzahnaufnahme durchaus möglich sei, dann zeigt  das obige Beispiel, dass  diese Strahlenreduktion  nicht zum  Tragen kommt, wenn eine erhöhte Anzahl von Aufnahmen nötig ist, um darstellungstechnische Defizite  auszugleichen.