Eine Antwort, die im Zoo gefunden wurde
Aus: „Fressen wie in der Natur“, in: Taunus-Zeitung, Printausgabe vom 05.06.2007 – von Katrin Pepping:
Dortmund. Ein Rudel Löwen reißt Fleischstücke vom Skelett eines Büffels, Hyänen fallen über eine tote Antilope her, ein Bär verspeist ein Schaf – in der Natur sind das Alltagsszenen. In den meisten deutschen Zoos ist das tabu. Die Verfütterung ganzer Tiere ist die Ausnahme. Auf dem Speiseplan der Raubtiere stehen vor allem im Schlachthaus vorportionierte Steaks und Filets. „Ganzkörperfütterung wäre zwar artgerechter, aber der Besucher versteht das nicht“, sagt Frank Chomik, Tierinspektor des Duisburger Zoos. Doch einige Zoos in Deutschland setzen sich inzwischen über diese Bedenken hinweg und verfüttern einfach überzählige Tiere aus dem Nachbargehege oder dem Streichelzoo.
Im Nürnberger Tierpark werden schon seit zehn Jahren ganze Tierkörper verfüttert. „Wir bekennen uns dazu und scheuen die öffentliche Auseinandersetzung nicht“, sagt der stellvertretende Direktor Helmut Mägdefrau. Der Zoo schieße pro Jahr rund 20 Schafe, Ziegen, Antilopen oder Hirsche aus dem eigenen Bestand für die Raubtiere. Auf diese Weise deckt der Nürnberger Tierpark 10 bis 20 Prozent seines Fleischbedarfs mit dem eigenen Bestand. Möglichst noch blutwarm und am Stück soll der Festschmaus für Löwen, Tiger, Geparde und Bären sein.
Diesem Beispiel sind mittlerweile auch andere Zoos in Deutschland gefolgt. „Die Tiere brauchen auch Knochen, Fell und Innereien und nicht nur das Steak aus dem Supermarkt. Sonst fehlen ihnen wichtige Vitamine und Mineralstoffe“, sagt Sabine Haas vom Gelsenkirchener Zoo, der ebenfalls gelegentlich ganze Tiere verfüttert. Auch die Zoos in Dortmund, Wuppertal, Dresden und Stuttgart verfüttern inzwischen überzählige Tiere am Stück.
„Unsere Raubtiere erhalten so auch Beschäftigung. Außerdem ist das gemeinsame Fressen an einem Kadaver wichtig für das Sozialleben“, sagt Mägdefrau. Die verfütterten Tiere hätten immerhin ein gutes Leben im Zoo gehabt. „Massentierhaltung und der stressige Tiertransport zum Schlachter bleiben ihnen im Gegensatz zu anderen Futtertieren erspart“, sagt der Biologe. Das Verfüttern ganzer Vierbeiner hebt aber nicht nur die Lebensqualität der Raubtiere, sondern löst auch Platzprobleme. Die Sterberate in Zoos ist mangels Fressfeinden niedriger als in der Natur, doch nicht für jedes ausgewachsene Jungtier gibt es Platz. „Wenn wir die Tiere an andere Zoos abgeben können, ist das natürlich immer die erste Option“, sagt Mägdefrau.
Bei den meisten Besuchern setze ein Denkprozess ein, wenn vor ihren Augen ein ganzes Tier verfüttert werde, sagt Mägdefrau. Anfangs fänden die Zoobesucher den Anblick eklig, doch die Ablehnung weiche oft der Erkenntnis, dass Rinder und Ziegen auch für die Menschen getötet werden. Dennoch bleibt die Mehrzahl der deutschen Zoos skeptisch.
Die Furcht vor ausbleibenden Besuchern und Protesten der Tierschützer ist groß. Jörg Adler, der Direktor des Münsteraner Zoos, gibt offen zu, die emotionale Diskussion um das Töten von Tieren zu scheuen: „Die Debatte wird oft nicht sehr sachlich geführt.“ In den USA geht es noch feinfühliger zu. „Dort gibt es Tierparks, die aus Angst vor dem Publikum nur Hackfleisch und Mineralpulver verfüttern“, sagt Mägdefrau. Das knochenlose Futter hat allerdings seinen Preis. „Die müssen ihre Raubtiere einmal pro Jahr betäuben und den Zahnstein entfernen.“
Kommentar
Wenn Raubtiere im Zoo artgerechte Kost erhalten, warum sorgen so wenige Menschen in Freiheit und freiwillig dafür, ihrer physiologischen Art gemäß sich zu ernähren? Artgerecht bedeutet für den Menschen in erster Linie: Unbearbeitet, ungekocht, nicht raffiniert, nicht denaturiert. Als Fleisch käme also eigentlich nur Tartar in Frage, aber der Mensch ist eigentlich kein Fleischesser, verschiedene Umstände haben ihn zum Fleischesser werden lassen. (Vgl. auch: Überlegungen zu einer tiereiweißfreien Ernährung).